Schlaglicht Stoffherz - KW26

 Hallo,

wir schauen heute - wie immer - auf den Stand meines aktuellen Schreibprojekts, zudem teile ich einige Gedanken über das Schreiben, die mir beim Ansehen von zwei Internet-Schnipseln gekommen sind.

Der erste Schnipsel ist ein kurzes Video, ein Twitter-tauglicher Ausschnitt eines Gespräches zwischen Stephen King und George R. R. Martin. Letzterer wirft Ersterem mit humorigem Zorn vor, wie er es ("zum Teufel nochmal") hinbekommen würde, so viele Bücher zu schreiben. Stephen King gibt nach kurzem Lachen eine sehr nüchterne und nützliche Antwort: Er setzt sich ein tägliches Schreibziel von sechs Seiten und er steht nicht von seinem Schreibtisch auf, bevor er sie geschrieben hat - üblicherweise sind das 3-4 Stunden. George R. R. Martin fragt erstaun zurück, ob er diese sechs Seite üblicherweise erreicht und ob es nicht auch Tage gibt, an denen er am ersten Satz scheitert und an sich selbst verzweifelt. Ich bekomme beim Schauen den Eindruck, dass Martin hier von eigenen leidvollen Tagen spricht, ohne dass er es explizit so sagt. Leider stoppt an dieser Stelle der Ausschnitt - Kings Antwort darauf würde mich interessieren.

Mir zeigt es, dass es sehr unterschiedliche Wege geben kann, erfolgreich Bücher zu schreiben - denn beide Autoren sind ohne Zweifel extrem erfolgreich, sie gehören auch zu meinen absoluten Lieblingen, weshalb mir der Ausschnitt wahrscheinlich so sehr im Gedächtnis geblieben ist. Ich vermute, dass die von Martin die schwierigere ist, denn sie bringt dich immer wieder in Momente des Zweifelns und des Haderns. Hätte ich an Kings Stelle gesessen (eine witzige Vorstellung, die ich einen Moment im Raum stehen lasse ...), dann wäre meine Antwort gewesen: Nein, ich kenne solche Tage nicht. Und ich danke Gott dafür, denn hätte ich nur einen solchen Tag, dann - befürchte ich - würde ich den Laptop zuklappen und für eine lange Zeit nicht mehr zum Schreiben öffnen.

Mein Schreibstil ist eher mit dem von Stephen King vergleichbar. Ich setze mir ein Pensum pro Tag (nein, keine sechs Seiten und auch keine 3-4 Stunden - it's a hobby, stupid) und das halte ich auch üblicherweise ein. Das gelingt mir nur, weil ich im Prinzip jede freie Viertelstunde und jede Gelegenheit Nutzen kann - Laptop auf und los geschrieben, das Ziel im Blick. Natürlich sind da Sätze dabei, die ich - um in Martins Worten zu bleiben - hasse oder zumindest nicht wirklich gelungen finde, manchmal (wie in dieser Woche) sind es ganze Kapitel. Wenn ich das Gefühl habe, dass sie mich trotzdem in der Geschichte vorangebracht haben, dann lasse ich sie stehen und 'haste' weiter - mit dem Ziel, sie in der Überarbeitung zu verbessern. Das hat für mich zwei Vorteile: Erstens habe ich das Gefühl, ich komme voran, und das hält meine Motivation am Leben. Zweitens ist es mir auch schon passiert, dass ich beim zweiten oder dritten Lesen, einen Satz oder Abschnitt, den ich ursprünglich furchtbar fand plötzlich ok oder richtig gut gefunden habe (natürlich gab es das andersherum auch schon) - wie furchtbar wäre es gewesen, viel Zeit oder sogar einen ganzen Tag zu investieren, um eine Stelle 'perfekt' zu machen, einfach nur, weil die momentane Stimmungslage dafür den Impuls gibt? Das Vorgehen bietet mir persönlich den Vorteil, dass ich mit einem zweiten Blick drauf schauen und 'Tagesformen' ausgleichen kann - eine Art schizophrenes Vier-Augen-Prinzip :)

Der Ausschnitt hat mich in meinem Vorgehen erneut bestätigt - Kunststück, ich habe ihn ja aus dem King-Buch 'Vom Leben und Schreiben' übernommen - aber auch ein flaues Autor-Gefühl hinterlassen, das glaube ich jeder Autor (oder Kunstschaffende) kennt: Was ist, wenn das mal nicht mehr so geht? Wenn du - wie Martin - vor einem Satz stehst und scheiterst? Dazu passt ein zweiter Schnipsel, den ich gesehen habe. Ein Meme über mehrere Bilder, auf dem die Nachricht vermittelt wird 'Wenn man mal acht Stunden auf ein leeres Blatt starrt und einfach nichts passieren will - tja, das ist auch schon Schreiben - irgendwie'. Viele Kommentare unter dem Bild (zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den Autor, dem die Worte in den Mund gelegt werden, spontan nicht erkannt haben) zeigen mir, dass es vielen anderen so geht und dass sie das kennen. Ich hatte das bisher, glücklicherweise, noch nicht. Wenn es mal passiert, wird das die Art meines Schreibens auf eine sehr große Probe stellen.

Kommen wir damit zum eigentlichen Thema, das ich heute aber, ob der langen Vorrede, nur anreißen will: 'Stoffherz' steht bei 30.000 Wörtern, in den letzten beiden Wochen habe ich also ungefähr soviel geschafft, wie in der fulminanten Auftaktwoche. Die Geschichte entwickelt sich gut - der Mittelteil zwischen Einführung in die Welt und Finale dem ich, als ich mit ihm begonnen habe, unterstellte, er würde nicht genügend Stoff für 40.000 Worte liefern, hat mir das Gegenteil bewiesen. Er hat Fahrt aufgenommen, so sehr, dass ich im Rückblick befürchte, über einige Sache hinweggehuscht zu sein.Wie oben beschrieben bleibt das nun so - vielleicht sieht mein zukünftiges Ich das ganz anders ;) In jedem Fall hoffe ich, dass ich mein Ziel, das erste Manuskript in zwei, spätestens drei Wochen abschließen zu können, halten kann - nicht zuletzt, weil ich es unvorsichtigerweise meinen Kindern versprochen habe. Ein Fehler, ich weiß, ein klassischer noch dazu. Wenn mich nicht das o.g. Schicksal ereilt, sollte es mir trotzdem gelingen - wer mag, kann mir die Daumen drücken!

Ein Mini-Einwurf zu 'Mutterliebe': Um mit 'Stoffherz' fertig zu werden, werde ich auf Unterbrechungen verzichten und bspw. mich nicht darum kümmern, die Vorgeschichte von Lhelanian  zu veröffentlichen, was ich eigentlich Ende dieser Woche (also heute) vorhatte. Das kann, aus meiner Sicht, auch noch zwei bis drei Wochen warten - anderslautende Meinungen dürfen sich hier gerne äußern und versuchen, mich umzustimmen!

Abschließend will ich noch eine Empfehlung, auch an mich selbst, rausgeben: Schaut das komplette Interview von King und Martin! Ich glaube, es lohnt sich ...

Auf bald

-TOWTTS

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